Eine Leseprobe

Liebe Freunde,

ich habe hier eine Leseprobe mitten aus dem Buch „Das Galeriepferd“ für euch herausgesucht. Der Text ist aus dem Kapitel 13. Hier bekommt ihr einen ersten Eindruck von Clara und ihren Aktivitäten.

Gerne könnt ihr diese Leseprobe auch als PDF herunterladen.

Viel Freude wünsche ich nun beim Lesen.


ich kann es nicht
ich mache es dennoch
solange ich Freude dabei habe

Richard H. Müller

Das Galeriepferd

Eine Kriminalerzählung aus dem Westfälischen

© 2024 Geest, Visbek Lektorat: Frederike Hedtfeld

Verlag:
Geest-Verlag
Marienburger Straße 10
49429 Visbek

Tel. 04445 3895913
www.geest-verlag.de
info@geest-verlag.de

ISBN 978-3-86685-632-5
Druck: Geest-Verlag Alle Rechte vorbehalten

Printed in Germany


Inhaltsverzeichnis

  1. Wiedersehen und Dunkelheit
  2. Zweihundert Bilder und ein Pferd
  3. Ein Trottel und Ungereimtheiten
  4. Fragen und kaum Antworten
  5. Bewegen und Sehen
  6. Alltag und ein Rätsel im Gepäck
  7. Altes und Nähe
  8. Pferde und Volksfest
  9. Geht so ermitteln und Weiß
  10. Köpfe zusammenstecken und nachdenken
  11. Gäste und Pferde
  12. Was nun mit dem Wissen
  13. Denken und tun
  14. Anfühlen wie ein Pferdetritt und Schritte
  15. So tun als ob und hin und her
  16. An verschiedenen Stellen und hin und her
  17. Besucher und Gemälde
  18. Laufen und Ducken
  19. Verschiedene und Gemälde
  20. Flüchten und dann
  21. Gestrandet und helfen
  22. Verhandeln und Bitten
  23. Verteidiger und Spione
  24. Verrückt und reden
  25. Noch nicht halb und so einiges
  26. Halb und es beginnt
  27. Neuer Tag und …
  28. Dies und dann noch einiges

    Dank

Dabei lehnte sie gegen die Tür und horchte konzentriert. Die Geräusche, die zu ihr drangen, waren leise und nicht eindeutig zuzuordnen. Sie drehte sich abermals um und drückte mit ihrer linken Hand auf die Klinke. Clara erschrak ein wenig, als die Tür sich einen Spalt weit öffnete. Deutlich nahm sie jetzt Stimmen wahr. Es waren unterschiedliche Sprachen und sie verstand kein einziges Wort. Vorsichtig drückte sie erneut gegen die Tür und schaute dabei an dem Bild vorbei. Im hinteren Raum schienen mehrere Personen zu sein, die sich aufgeregt stritten. Der Händler gegenüber war noch immer in seine Zeitung vertieft.

Ich muss näher herankommen, um besser beobachten zu können. Sie konzentrierte sich. Wie war der Raum aufgeteilt? Wo steht wahrscheinlich die Gruppe? Und hinter was kann ich mich verstecken? Vorsichtig vergrößerte sie den Spalt an der Tür. Clara drehte den Kopf und schaute durch die schmale Öffnung. Dann ein Blick über die Schulter zurück zum Nachbarstand. Die Zeitung lag auf dem Tisch und von dem Händler war nichts zu sehen. Ein kleiner Schritt nach vorne und sie duckte sich sofort. Verschloss die Tür und bemerkte erst jetzt, wie dunkel der Raum war. Ein wenig Licht kam aus der Richtung, aus der auch die Stimmen wahrzunehmen waren. Clara blieb weiterhin in der Hocke sitzen und wartete, bis sich ihre Augen an die geringe Helligkeit gewöhnt hatten. In ungefähr vier Metern Entfernung befanden sich Personen und diese sprachen jetzt Deutsch miteinander. Sie sah links von sich eine Art kleinen Gang inmitten gestapelter Kisten. Von dort würde sie näher an die Gruppe herankommen und mit Glück etwas erkennen. Ganz vorsichtig und weiterhin geduckt schlich sie vorwärts. Es war nicht so einfach, wie sie es sich vorgestellt hatte. Der Gang war eigentlich nur eine Lücke zwischen zwei größeren Kisten. Dahinter versperrte ein zusammengeklappter Tisch ihr den Weg. Wenn das bloß gut geht. Mit beiden Händen hob sie ihn an und stellte ihn so an die Seite, dass sie daran vorbeigehen konnte. In knapp drei Metern Entfernung machte sie ein Regal aus, hinter dem die Gruppe stand. Da muss ich hinkommen. Sie tastete sich mit beiden Händen voran. Nur darauf bedacht, keine Geräusche von sich zu geben. Clara kam es vor wie eine gefühlte Ewigkeit, bis sie bei dem Gestell ankam.

„So kommen wir nicht weiter“, sagte eine ihr unbekannte Stimme.

„Ich brauche noch mehr Zeit. Ungefähr zwei Wochen. Das müssen Sie mir glauben“, kam etwas zögerlich als Antwort. „Nehmen Sie die beiden Bilder. Das sind Originale. Wie vereinbart.“ Es klang trotzig.

„Wir wollen drei. Das ist so verabredet. Unseren Teil der Abmachung haben wir eingehalten. Du hast das Geld sofort erhalten.“

„Die paar Kröten. Die reichten gerade für die Farben. Sie wissen, dafür hätte ich mich nie mit Ihnen eingelassen.“ Man konnte seine Empörung hören.

„Den Rest bekommst du, wenn ich das Gemälde in meinen Händen habe. Also, was ist mit dem dritten Bild?“

„Es ist etwas dazwischengekommen. Der Besitzer hat die erste Arbeit nicht akzeptiert. Obwohl er das Bild schon aufgehängt hatte. Bis ihn dann ein Gast auf einen kleinen Fehler aufmerksam gemacht hat.“ Jetzt erkannte sie die Stimme. Es war Meier, der seine Sicht den anderen erklären wollte. Nach einer kurzen Pause hörte sie ihn wieder. „Ich habe nun Tag und Nacht gearbeitet. Ich brauche mehr Zeit.“

„Die haben wir nicht!“

„Sie waren es doch, die auf eine hohe Qualität der Kopien bestanden haben. Sie wollten, dass der Austausch unentdeckt bleibt.“

„Ich brech dir die Knochen. Du redest nur und lieferst nicht“, sagte eine Stimme, die sich bisher nicht an dem Gespräch beteiligt hatte.

Clara wurde es ganz heiß auf der Stirn. Was erlebte sie jetzt? Auf jeden Fall passierte hier ein Verbrechen! Aber verstehen konnte sie nur, dass es Meier an den Kragen gehen sollte. Während sie weiter nachdachte, sah sie aus ihrem Versteck heraus, dass Meier sich ängstlich nach hinten in den Raum bewegte.

„Bleib stehen!“, sagte ein stämmiger Mann, der dabei auf Meier zusprang. Genauso schnell schlug er mit seinen Fäusten auf ihn ein. Zuerst in den Bauch, sodass Meier mit seinem Oberkörper und einem Stöhnen nach vorne klappte. Der nächste Schlag folgte unmittelbar von unten auf das Kinn. Er wurde gegen die Mauer geschleudert und sackte auf den Boden.

„Stopp! Hör auf. Wir brauchen ihn lebendig.“

Claras Gedanken überschlugen sich. Das Geräusch eines aufschnappenden Springmessers kam aus der Gruppe der Männer. Ich muss etwas tun! Wie kann ich allein ihm helfen? Ich brauche Unterstützung. Konrad. Esther. Sie nahm das Handy und tippte ihre Nachricht. Hoffentlich passiert hier nicht so schnell noch mehr Gewalt gegen Meier.

„Ich schneide ihm einen Finger ab. Er will es nur so lernen.“

Zwei Männer beugten sich über den zusammengerollten Körper und zogen ihn hoch.

„Dort auf die Kiste mit ihm.“

Mit einer Armbewegung wurde der Kistendeckel frei geräumt und Meier dort hinaufgeschleift. Seine Augen waren geöffnet, aber anscheinend realisierte er nicht, was hier mit ihm passieren sollte.

„Idiot. Doch nicht die Finger. Er muss noch weiter für uns malen“, sagte der Mann, der mit Meier zu Beginn geredet hatte.

Die beiden schauten sich an, und scheinbar grübelten sie, wie es nun mit der Bestrafung weitergehen könnte. Sie murmelten miteinander, aber Clara verstand gar nichts. Ihre Anspannung war riesig. Mit einer Hand hielt sie sich den Mund zu und in der anderen spürte sie ihr Handy vibrieren.

‚Bin unterwegs‘, leuchtete auf. „Setzt ihn hier hin.“ „Den Schuh ausziehen.“

Schon sah Clara die Hände, die die Anweisungen umsetzten. Und Meier? Sie erkannte, dass er wehrlos alles über sich ergehen ließ. War er bei Bewusstsein? Sie musste handeln. Länger auf Hilfe warten war nicht mehr möglich. Könnte Meier dabei helfen, sich selbst zu retten? Augenscheinlich nicht.

Sie krabbelte zurück, richtete sich auf und schrie so laut sie konnte: „Halt! Hände hoch! Hier ist die Polizei.“ Sie riss ihre Arme vor die Brust und rannte – eher sprang sie – zwei Schritte nach vorne und warf sich mit ihrem Körper gegen das Regal. Mit lautem Scheppern schlug es auf den Boden, an die Stelle, an der sich gerade noch die beiden Männer über Meier gebeugt hatten.

Erschrocken sprangen sie zur Seite und fielen dabei über sich selbst. Einer, ein großer schwarzhaariger, verlor beim Fallen das Messer und fluchte laut in einer Sprache, die Clara nicht verstand. Sie lag längs auf dem Regal. Das ging doch gut, war der erste Gedanke, bevor die Schmerzen sich meldeten. Ein Regalbrett hatte sie am Brustkorb und ein zweites an der Hüfte getroffen. Ich muss aufstehen und Meier zur hinteren Tür ziehen. Das Aufstützen fühlte sich an, als ob sie unter einem Zentnersack Kartoffeln läge. Sie blickte nach rechts und sah die drei Männer, die sich selbst sortierten.

Der Schwarzhaarige stemmte sich, noch liegend, mit aller Kraft gegen das Regal. Eines seiner Beine war eingeklemmt. Am anderen Ende des Regals saß der zweite Mann und hielt seine Hände, fast wie zum Beten gefaltet, auf seinem Oberschenkel. An dessen Achseln riss der Dritte, um ihm hochzuhelfen. Ein Schrei drang durch die Stille des Raums. Seine Hände zerrten an denen, die ihm behilflich sein wollten. Dabei sah Clara den Grund der gerade noch gefalteten Hände: das Springmesser. Es steckte senkrecht in seinem Oberschenkel.

Clara hatte es geschafft aufzustehen und peilte ein weiteres Regal an, das sie als Barriere zwischen sich und die drei Männer fallen lassen wollte. Sie zog heftig, obwohl ihr Körper dabei von Schmerzen durchstochen wurde. Das Gestell bewegte sich keinen Zentimeter.

Ihre Bemühung blieb nicht unbemerkt. Eine Hand griff ihr an die rechte Schulter und zerrte sie von dem Gestell zurück. Nur einen kurzen Augenblick konnten sich ihre Finger noch an dem Rahmen halten. Als sie nachgaben, landete sie mit dem Rücken auf dem am Boden liegenden Regal. Schmerz durchzuckte ihren Oberkörper. Der Versuch, sich zu bewegen, war erfolglos. Panik stieg in ihr auf. Sie spürte, wie eine Hand an ihrem Fuß riss. Er wollte sie wohl zu sich ziehen und dann sicherlich … Der Gedanke wurde nicht zu Ende gedacht. Wie von selbst winkelte sie ihr anderes Bein an und stieß es dem Angreifer ins Gesicht. Erst einmal und ganz schnell noch ein weiteres Mal. Er ließ von ihr ab und Clara drehte sich nach links. Wieder Schmerzen. Mit beiden Händen umklammerte sie einen Regalpfosten und zog sich daran hoch. Sie blickte nach links und sah, dass Meier auf dem Boden lag. Er bewegte sich nicht. Rechts von sich sah sie, wie die drei Männer es fast geschafft hatten, sich von dem umgestürzten Regal zu befreien. Clara ahnte, dass es gleich einen nächsten Angriff auf sie geben würde. Meiers Peiniger hatten mittlerweile bestimmt bemerkt, dass sie keine Waffe hatte, um sie von ihrem Handeln abzuhalten.

Sie musste es noch einmal versuchen. Sie benötigte einen Schritt, um hinter dieses zweite Regal zu gelangen. Dann drückte sie mit all ihrer verbliebenen Kraft dagegen. Unendlich lange dauerte es, bis es sich bewegte. Sie ließ los, mit einem Seufzer der Erleichterung. Es fiel und für Clara war es, als ob ein großes Messer den Angreifern den Weg zu ihr abschneide. Sie sah, wie diese erschrocken zurückwichen und sich für einen kleinen Augenblick anscheinend unsicher waren, was sie tun könnten. Das Letzte ahnte sie mehr, als dass sie es richtig beobachten konnte, denn nur die Stelle, an der Meier mit den Männern gestanden hatte, war beleuchtet.

Was war das für ein Geräusch? Clara zuckte zusammen, wagte es nicht, sich umzudrehen.